Plastik des Thietmar von Merseburg von Ulrich Janku | Foto: Helga Bässler


Die Existenz der urbs Libzi, der Burg des 10. Jahrhunderts, die als Keimzelle der Stadtwerdung Leipzigs gilt, konnte vom Leipziger Kunsthistoriker Herbert Küas (1900 – 1980) durch Grabungen in den 1950er Jahren nachgewiesen werden. Vom Vorhandensein einer Burg hatten wir bereits durch den Merseburger Bischofs Thietmar (geb. 975 – 1018) schriftliche Kenntnis, der in seiner berühmten Chronik Thietmari im Jahr 1015 notierte: „Dann erkrankte der wackere Bischof Eid, der eben mit großen Geschenken aus Polen zurückgekehrt war, und gab am 20. Dezember in der Burg Leipzig Christus seine treue Seele zurück.“ (Überersetzung aus dem Lateinischen)
Eid war Bischof von Meißen und ein Vertrauter Kaiser Heinrichs ll., in dessen Auftrag er zu einem Schlachtfeld an der mittleren Oder reiste. Hier erlitt die Armee Heinrichs eine verheerende Niederlage und Eids Auftrag bestand darin, die sterblichen Überreste einiger hochrangiger Gefallener zur würdigen Bestattung in den Westen zu geleiten. Wie lange und auf welchen Wegen der Bischof vom polnischen Raum nach Leipzig gelangte, bleibt offen. Unklar bleibt auch, wie lange der Bischof schon in der Burg Leipzig weilte, bevor er an einer Krankheit oder an den Strapazen der Reise verstarb. Er war zu diesem Zeitpunkt 23 Jahre im Amt. Die vielen Reisen zu Pferd, bis zu 30 Kilometer am Tag, werden letztlich Spuren hinterlassen haben. Es liegt in der Natur solcher Überlieferungen, dass zunächst mehr Fragen als Antworten möglich scheinen. Für das Selbstverständnis Leipzigs bedeutet dieser Eintrag in der Thietmarchronik: Vor 1000 Jahren erfolgte die erste schriftliche Erwähnung und die Weichen auf dem Weg zur Stadt waren bereits gestellt.

Skizze der urbs Libzi | Zeichnung: Rainer Ilg | Entstanden auf der Grundlage der Grabungsfunde aus den 1950er Jahren, wissenschaftlich aufbereitet von Dr. Thomas Westphalen

Matthäikirchhof Luftbild | Foto: Unrau Fotografie | Die Fundamente des Bergfrieds der urbs Libzi liegen unter dem Garagenflachbau im Innenhof
An diesen Ort der Stadtentstehung muss künftig in geeigneter Form erinnert werden. Auch weitere archäologische Grabungen sollten nicht ausgeschlossen sein, denn in welcher mitteldeutschen Stadt kann man schon den Beginn der Stadtwerdung so genau nachvollziehen?