– 3 Tage mit jeweils 3 Lesungen –
27./28./29. März 2025, 18/19.30/21 Uhr
Eintritt frei
Reservierungen sind nicht möglich (Zeitiges Kommen sichert gute Plätze)
Die Alte Nikolaischule ist wieder einer der besonderen Orte dieses einmaligen Lesefestes. Unser Programm:
27.03.2025, 18 Uhr
Franzobel: Hundert Wörter für Schnee (Zsolnay) Die abenteuerliche Geschichte der Eroberung des Nordpols.
Im Herbst 1897 bringt der US-amerikanische Entdecker und Abenteurer Robert Peary sechs Inughuit, so der Name der im Norden Grönlands lebenden Menschen, auf einem Dampfschiff nach New York. Untersucht sollen sie werden, vor allem aber ausgestellt und hergezeigt. Vier von ihnen sterben schnell an Tuberkulose, einer wird zurückgebracht – der neunjährige Minik aber bleibt. Seine Geschichte – Taufe, Schule, betrügerischer Pflegevater, Flucht – sorgt für Schlagzeilen. In Franzobels Roman wird Minik nicht nur zum Spielball zwischen der zivilisierten amerikanischen Kultur und der angeblich primitiven eines Naturvolkes. Sein Schicksal ist ein Heldenlied auf den Überlebenskampf eines beinahe ausgestorbenen Volkes, das bewiesen hat, wie der Mensch selbst in der unwirtlichsten Gegend überleben kann.
27.03.2025, 19.30 Uhr
Marion Poschmann: Die Winterschwimmerin. Verslegende (Suhrkamp) Über das Glück des Eisbadens
Thekla schwimmt in offenen Gewässern, auch bei eisigen Temperaturen. Sie versteht es als ganzkörperlichen Erkenntnisprozess und versucht in der winterlichen Landschaft sich selbst und dem Verhältnis von Leib und Seele, Natur und Geist auf den Grund zu gehen. Während sie in das atemberaubend klare Wasser eintaucht und mit der Gewalt der Kälte umgeht, findet sie zu einem Gefühl von Freiheit und Autonomie. Dann begegnet sie einem entlaufenen Tiger.
Marion Poschmann erzählt mit poetischem Schwung von Spannung und Glück einer außergewöhnlichen Naturerfahrung. Von der Lust, sich selbst zu überwinden, ungeahnte Fähigkeiten zu entdecken und das Unmögliche möglich zu machen. Im kunstvollen sprachlichen Ausdruck verschmelzen zeitgenössische Milieustudie und wundersame Legende, spielerisch leichte und streng gebundene Verse gipfeln in einer modernen Adaption des Leichs, des mittelalterlichen, virtuos gereimten Meistergedichts.
27.03.2025, 21 Uhr
Alles außer flach: Neugierig auf die flachen Länder? Neues aus den Niederlanden und Flandern mit Nina Polak „Landleben“ und Sulaiman Addonia „Die Seher“
Nina Polak, geboren 1986, studierte Literaturwissenschaft und Cultural Analysis in Amsterdam und New York und ist seit 2013 Redakteurin bei De Correspondent. Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet und vom niederländischen Feuilleton gefeiert. Bei mare erschien 2023 ihr Roman Zuhause ist ein großes Wort. „Landleben“: Nachdem ihre Beziehung die erste hürdenreiche Zeit überstanden hat, beschließen Rivka und Esse, der Enge Amsterdams zu entfliehen. Am Rande des Dorfs Onderweer, wo man an guten Tagen das Meer riechen kann, finden sie ein altes Haus inmitten eines großen Gartens. Hier hofft Esse, ihre Gefühlswelt zu erden, und Rivka, neue Inspiration für ihr Schreiben zu finden. Doch nach dem Umzug ist der Mistgeruch penetrant, das Wetter oft schlecht, und der Garten stellt sich als unbändiges Monster heraus, in dem das Unkraut wuchert, sobald man ihm den Rücken kehrt. Spätestens aber, als die Pferdestallbesitzerin und Ratgeberautorin Eva Alta aus dem Nachbardorf auftaucht, um Rivka und Esse ungefragt durch ihr neues Leben zu coachen, fällt ein tiefschwarzer Schatten auf ihren Traum der ländlichen Idylle.
Sulaiman Addonia musste als Kind aus Eritrea fliehen. Nach dem Massaker von Om Hajar 1975 verbrachte er seine Kindheit in einem Flüchtlingslager im Sudan und lebte als Jugendlicher im saudischen Dschidda, wo er zur Schule ging. Als unbegleiteter Minderjähriger und ohne ein Wort Englisch zu sprechen kam er 1990 nach London und studierte Wirtschaftswissenschaften am University College London mit Bachelor-Abschluss und Entwicklungsforschung an der School of Oriental and African Studies der University of London mit Master-Abschluss. Sein Debütroman »Die Liebenden von Dschidda« wurde für den Commonwealth Literaturpreis nominiert und in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Sulaiman Addonia liebt derzeit in Brüssel, wo er eine Creative-Writing-Schule für Geflüchtete und Asylsuchende gegründet hat, »um den Stimmlosen eine Stimme zu geben«. „Die Seher“ ist ein fesselnder und experimenteller Roman über Liebe, Verlust, Widerstandsfähigkeit, koloniale Traumata und das wahre Gesicht der britischen Einwanderungspolitik und ihre Auswirkungen auf junge Flüchtlinge. Eine konfrontierende und kasteiende Leseerfahrung.
28.03.2025, 18 Uhr
Mircea Cărtărescu: Theodoros (Zsolnay)
Mircea Cărtărescu wurde 1956 in Bukarest geboren und lebt in seiner Heimatstadt. Seit 1978 veröffentlicht er Lyrik und Prosa, sein Werk wird in vielen Sprachen übersetzt. Preise u.a.: International Dublin Literary Award (2024), FIL-Preis für romanische Sprachen (2022), Thomas-Mann-Preis, Premio Formentor (beide 2018), Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung und Österreichischer Staatspreis für Europäische Literatur (beide 2015). Auf Deutsch erschienen zuletzt der Roman Solenoid (2019), die Erzählungen Melancolia (2022) und der Roman Theodoros (2024).
28.03.2025, 19.30 Uhr
Anne Enright: Vogelkind (Penguin Verlag)
Die junge Nell hat das warme Nest verlassen, das ihre Mutter Carmel ihr stets geboten hat, denn sie will schreiben und sucht nach ihrer eigenen Stimme. In der Poesie ihres Großvaters findet Nell eine neue Heimat. Zwar hat sie ihn, den berühmten irischen Dichter Phil McDaragh, nie kennengelernt, doch sprechen seine Verse intensiv zu ihr. In seinen Gedichten stellte Phil seine Tochter Carmel als einen helläugigen Zaunkönig vor, der aus seiner Hand flieht. Dabei war er es, der Frau und zwei kleine Töchter zurückließ und deren Leben erschütterte. Carmel kämpfte lange vergeblich darum, das Bild des großen Dichters mit ihren realen Erlebnissen zu versöhnen. Nun ist es an Nell, sich um den inneren Frieden zu bemühen, der ihrer Mutter versagt blieb. Ein berührender Familienroman über Traumata und Generationen vererbter Wunden. Zugleich eine inspirierende Meditation über die Liebe in all ihren Facetten: romantisch, dunkel, spirituell.
Anne Enright, 1962 in Dublin geboren, zählt zu den bedeutendsten englischsprachigen Schriftstellerinnen der Gegenwart und wurde 2015 zur ersten Laureate for Irish Fiction ernannt. »Das Familientreffen« (2007) wurde unter anderem mit dem renommierten Booker-Preis ausgezeichnet, ist in gut dreißig Sprachen übersetzt und weltweit ein Bestseller. Für »Anatomie einer Affäre« (2011) erhielt sie die Andrew Carnegie Medal for Excellence in Fiction, für »Rosaleens Fest« (2015) den Irish Novel of the Year Prize. »Vogelkind«, ihr achter Roman, stand auf der Shortlist des Women’s Prize for Fiction und errang den Writers‘ Prize for Fiction 2024.
28.03.2025, 21 Uhr
Steffen Kopetzky: Atom (Rowohlt) Ein Agent auf den Spuren eines Phantoms, einer großen Liebe und einer weltverändernden Urkraft.
London zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Eigentlich will Simon Batley nie wieder mit dem britischen Geheimdienst zu tun haben. Jahre zuvor, als Physikstudent in Berlin, arbeitete er ihm zu, naiv und undercover. Es führte zu einer Katastrophe, die Batley nie verstand, auch seine große Liebe zu seiner Kommilitonin Hedi von Treyden endete jäh. Doch der Krieg ändert alles. Agent Batley stößt auf die Spur einer neuen Waffe der Deutschen, von nie gekannter Zerstörungskraft. Bald darauf, instruiert von Niels Bohr und Rudolf Heß, reist er ins Dritte Reich. Er will den geheimnisvollen Hans Kammler aufspüren: Der Planer von Mittelbau-Dora ist Herr über das deutsche Geheimwaffenprogramm und einer der mächtigsten Nazis. Während Batley versucht, vor den Sowjets und den USA an das deutsche Uran zu kommen, folgt er auch einer persönlichen Mission: Er will Hedi wiederfinden und endlich begreifen, was damals in Berlin geschah. Steffen Kopetzkys spannungsvoller Roman über die Jagd nach der Atomtechnik, die Spur eines Phantoms – und einen Mann, der zwischen Schuld, Liebe und Hoffnung steht.
Steffen Kopetzky, geboren 1971, ist Autor von Romanen, Erzählungen, Hörspielen und Theaterstücken. Sein Roman «Monschau» (2021) stand monatelang auf der «Spiegel»-Bestsellerliste, ebenso wie «Risiko» (2015, Longlist Deutscher Buchpreis). «Propaganda» (2019) war für den Bayerischen Buchpreis nominiert, zuletzt erschien «Damenopfer» (2023). Von 2002 bis 2008 war Kopetzky künstlerischer Leiter der Theater-Biennale Bonn. Er lebt mit seiner Familie in seiner Heimatstadt Pfaffenhofen an der Ilm.
29.03.2025, 18 Uhr
Martin Mosebach: Die Richtige (DTV) Zwei Frauen, ein Maler und eine Warnung: »Werden Sie nicht sein Modell!«
Ein Roman über die Abgründe in menschlichen Beziehungen, über Kunst und Leben, Liebe und Macht.
Ein verblühtes Azaleenbäumchen, fast schon im Müll, und dann, ganz unerwartet, eine rosa Wolke, neues Grün – »so müsste man arbeiten, wie diese Pflanze!« Sagt Louis Creutz, ein Maler, der über Grenzen hinweggeht, weil er keine sieht. Von den Menschen, die mit ihm in Berührung kommen, profitiert er, solange sie ihm nützlich sind, und dann lässt er sie fallen. Meist sind es Frauen, seine Modelle. Eine von ihnen ist inzwischen obdachlos, eine Streunerin mit goldgefärbten Locken, schwarzem Seidenumhang und einem unheimlichen Maskengesicht. Eine andere, noch junge, lebensfrohe, die barfuß in Sandalen der Kälte trotzt, schlägt jede Warnung in den Wind.
29.03.2025, 19.30 Uhr
Ursula Krechl: Sehr geehrte Frau Ministerin (Klett Cotta) Ein Roman über symbiotische Mutterschaft, existentiell gefährdete Frauen und politische Gewalt.
Mit seiner Mutter sprechen zu müssen, ist für Eva Pataraks Sohn ein Staatsverbrechen. Für Eva hingegen ist es ein Verbrechen, dass ihr Sohn und sie offenbar ausspioniert werden. Welches Ziel verfolgt die Lateinlehrerin Silke Aschauer mit ihrer Observation? Will sie etwa einen Roman schreiben? Bieten die grausamen Familienverhältnisse der Antike, die sie für den Unterricht aufbereitet, nicht ausreichend Stoff für Faszination? Fest steht nur: Silke hält längst nicht alle Fäden in der Hand, denn ihr eigener Körper hat einen blutigen Aufstand gegen sie angezettelt, der sie in die Rolle der Patientin zwingt. In ihrer Ohnmacht wenden sich beide Frauen an die Justizministerin – ohne zu ahnen, in welche Gefahr sie diese damit bringen.
Ursula Krechel schreibt in ihrem hoch politischen und stilistisch herausragenden Roman eine Kulturgeschichte aller Frauen – von einer römischen Kaisermutter zu einer Studienrätin, von einer Verkäuferin in einem kleinen Kräuterimperium zu einer Ministerin. Es ist die Geschichte ihres Widerstands gegen die Gewalt, die ihnen physisch und psychisch zugemutet wird.
29.03.2025, 21 Uhr
Der Einfluss der Fasane (S. Fischer Verlag) Der neue Roman der Buchpreisträgerin Antje Rávik Strubel: Federleicht und messerscharf.
An einem frühen Morgen steht Hella Karl am Briefkasten und liest die Meldung, die sie aus der Bahn werfen wird: Der Star der Berliner Theaterszene und Gravitationszentrum der Kulturwelt hat sich das Leben genommen. Hella Karl, Feuilletonchefin einer großen Zeitung, ist nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen und glaubt, alles im Griff zu haben. Doch sie hat einen folgenreichen Artikel über den gefeierten Mann verfasst – und jetzt wird sie für seinen Tod verantwortlich gemacht. Ist er an sich selbst gescheitert, oder hat Hella Karl ihn in den Tod geschrieben? »Der Einfluss der Fasane« erzählt heiter und packend von einer, die die Kontrolle verliert. Von den Erregungsdynamiken, die sich, einmal in Gang gesetzt, nicht mehr steuern lassen. Ein leichtfüßiger Roman über schwere Vorwürfe, das Ringen um Worte und über das Unheil von medialen Diskursen.