Säulenentwurf von Andreas Stötzner
Wettbewerb Neugestaltung Nikolaikirchhof
Im Zusammenhang mit der Sanierung der Alten Nikolaischule und ihrer Umnutzung und Modernisierung zu einem Haus der Kultur verfolgte die Kulturstiftung von Anfang an auch das Ziel, diesen von jedem Leipziger Bürger mit den Demonstrationen der friedlichen Revolution verbundenen Platz, zur Durchgangsstraße geworden und ohne jede Aufenthaltsqualität, künstlerisch-stadtgestalterisch aufzuwerten. Auf Anregung von Heinz-Jürgen Böhme wurde in der Stiftungsratssitzung am 31. Januar 1991 beschlossen, konzeptionelle Grundlagen für einen Wettbewerb zur würdigen Gestaltung des Platzes auszuarbeiten. Bereits zwei Monate später sagte die Stadt Leipzig ihre inhaltliche und finanzielle Unterstützung zu. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens beteiligte sich großzügig mit einer Unterstützung von 83200 DM
am Ideenwettbewerb. Die Kulturstiftung Leipzig erarbeitete ein offenes, an bildende Künstler und Arbeitsgemeinschaften aus Künstlern und Architekten aus Deutschland, Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei gerichtetes Wettbewerbskonzept. 53 Teilnehmer folgten der Auslobung, deren Anliegen es war, das Gedenken an die Ereignisse von 1989 mit der traditionsreichen Kulturgeschichte des Platzes in Beziehung
zu setzen und seine urbanen Qualitäten herauszuarbeiten. Nach der Beurteilung der Arbeiten entschied die aus 13 Künstlern, Architekten, Wissenschaftlern, Stadtplanern und Kulturpolitikern bestehende Jury, statt der Vergabe eines ersten Preises zwei Preiskategorien zu je 4 Preisträgern zu nominieren, wobei die Preisträger der ersten Kategorie mit je 9000, die der zweiten mit je 3800 DM dotiert werden sollten. In
der ersten Kategorie wurden Andreas Stötzner, Heinke Binder, Manfred Küster und Andreas Martin prämiert, in der zweiten Heinz-Jürgen Böhme, Clemens Brocker, die Partnerschaft aus Prof. Thomas Lehnerer und Andreas Gaiser sowie Bill Fontana in Kooperation mit Kister Scheithauer.
Am 10. Januar 1994 sprach sich der Beirat „Kunst im öffentlichen Raum“ der Stadt Leipzig dafür aus, Andreas Stötzners Entwurf als Grundlage für die Neugestaltung des Nikolaikirchhofs heranzuziehen. Kernelemente seiner Ausarbeitung waren eine von Palmenwedeln bekrönte „Nikolaisäule“ östlich und ein westlich des Platzes am historischen Standort gelegener Brunnen. Die Wettbewerbsjury hatte Stötzners Wettbewerbsbeitrag wie folgt gewürdigt:
„Der Verfasser erinnert mit dem aus der Nikolaikirche entlehnten klassizistischen Säulenmotiv auf indirekte, vielschichtige Weise an den Herbst 1989. Er schafft einen starken räumlichen Akzent, der als ein traditionelles Architekturelement würdevoll in Beziehung zum Denkmalensemble Nikolaikirchhof gebracht wird und zugleich einen überraschenden ‚point de vue’ darstellt. Als richtungsloses ‚Bauwerk’ bietet die Säule keine Schwierigkeit der Einordnung in den Platzraum. …
Das klassische Architekturzitat steht auch allgemein semantisch für das Thema ‚Erinnerung’. (…) Die Palmenblätter gelten als Friedenssymbole. So stellt sich auch ikonographisch ein Bezug zu den Friedensgebeten her. Die Arbeit geht ausgesprochen behutsam mit der denkmalgeschützten Raumsituation um. Vor dem (…) Kultur-Café der Alten Nikolaischule wird das Motiv des historischen Brunnens wieder aufgenommen und an der richtigen Stelle des Platzes damit eine Verweilzone geschaffen.“
Die Nikolaisäule, die vom Leipziger Bildhauer Markus Gläser ausgeführt wurde, ist an die gestaltungsgleichen Säulen im Innern der Kirche angelehnt und symbolisiert so den Gedanken des Aufbruchs, wie er auf den Platz, in die Straßen der Stadt und im Land erfolgte. Markus Gläser entwarf auch die bronzene Bodenplatte mit der Inschrift „9. Oktober 1989“. Die auf der Platte dargestellten unterschiedlichen Schuhabdrücke stehen symbolisch für die „Abstimmung mit den Füßen“. Während die Idee der „Nikolaisäule“ als Erinnerung an den 9. Oktober 1989 mit der entscheidenden Montagsdemonstration auf breite Zustimmung stieß, traf das auf den Brunnenentwurf von Andreas Stötzner nicht zu. Es bedurfte zweier weiterer Wettbewerbe, um zu der heute realisierten Lösung mit der Granitschale zu kommen.
Am 9. Oktober 1999, dem 10. Jahrestag der friedlichen Revolution, konnte die Nikolaisäule in Anwesenheit von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee der Öffentlichkeit übergeben werden. Mit der bautechnisch-konstruktiven Ausführung war Diplomingenieur Rolf Seifert beauftragt. Für die Herstellung der Säule waren 260000 DM aufzubringen. Sie konnten zur Hälfte durch Spenden von Bürgern, Unternehmen und Einrichtungen erbracht werden. Den anderen Teil trugen die Stadt Leipzig und die Bundesregierung bei. Die Durchführung des Wettbewerbs, die Spendenakquise sowie die Ausführung des Projekts lagen in den Händen der Kulturstiftung Leipzig. Seit dem 9. Oktober 2009 wird die Säule bei Dunkelheit durch drei Bodenstrahler illuminiert, so dass sie nun auch eine attraktive Nachtwirkung hat.